Innert weniger Tage hat sich der Waldbrand über eine Fläche von einem Quadratkilometer bis nahe an das Dorf Indemini ausgedehnt. 

Tagebuch in Kurzform:

  • Das Feuer nahe des Gipfels wurde in der Sonntagnacht vom 30. Januar 2022 um ca. 3 Uhr entdeckt.
  • Sofort bei Tagesanbruch begannen die Löscharbeiten mit Helikoptern.
  • Die Löschwasserreserve (50m3) auf Sciaga war am Mittag aufgebraucht; der Bach ist ausgetrocknet und lieferte keinen Wassernachschub in den unterirdischen Wassertank.
  • Am Sonntag gegen Mitternacht wurde das Dorf evakuiert. Alle Bewohner mussten auf Anweisung der Polizei das Dorf verlassen. Bereits am frühen Abend mussten die Bewohner von Pezze, Boé, Ri und Idacca ihre Häuser verlassen. Eine Odyssee der besonderen Art leisteten Thomas und Regula Flachsmann mit ihren 75 Schafen: Vorerst zu Fuss in einen Stall auf Neggia.  Am Montag wurde die Herde dann per Transporter zu Bekannten in Gerra überführt.
  • Zeitweise waren bis zu sechs lokale Helikopter und drei Superpumas der Schweizer Armee im Einsatz.
  • Wasserbezugsorte: Lago Maggiore, Lago Delio, Löschwasserbecken lokal.
  • Freiwillige aus Varese kamen, um bei den Löscharbeiten mitzuhelfen.
  • Am Dienstagnachmittag kamen aus Genua zwei Löschflugzeuge des Typs Canadair zu Hilfe. Mit grosser Wirkung!
  • Am Mittwoch verstärkte die Feuerwehr ihren Einsatz am Boden. Seit Sonntag sind rund 40 Feuerwehrleute unterstützt vom Zivilschutz im Einsatz.
  • Der stürmische Nordföhn über mehrere Tage hat die Ausdehnung der Brandherde begünstigt und die Löscharbeiten extrem erschwert.
  • Die Kantonspolizei hat am Mittwoch zwei junge Männer aus dem Kanton Schwyz vorübergehend festgenommen. Sie stehen im Verdacht, den Brand durch ein Lagerfeuer verursacht zu haben.
  • Geschätzte Kosten für den Löscheinsatz: CHF 150’000 pro Tag.
  • Ab Freitag, 4. Februar 2022 können die gemeldeten Bewohner in ihre Wohnungen in Indemini zurückkehren.
  • Nach Auskunft der Gemeindeverwaltung haben Ferienhausbesitzer-innen und Gäste erst ab Ende Februar wieder Zugang zum Dorf. Änderungen vorbehalten.
  • Das Wasser aus der Leitung ist bis auf Weiteres nicht trinkbar. Der Zivilschutz versorgt die Bewohner mit Trinkwasser in Flaschen und Kanistern.
  • Samstag, 5.2.2022, Tag 7 des Grossbrands: Die Löscheinsätze dauern nach wie vor ununterbrochen an: Zwei Superpumas und drei lokale Helis bekämpfen lokale Glutnester heute von 7:20 bis 18:20 Uhr.
  • Pensionierte Pompieri kochen am Abend im Ostello für die etwa 30 Personen der Einsatztruppe am Boden. Und: Die Dorfbewohner sind eingeladen, sich das Essen im Ostello abzuholen 😊. Was für eine herzerwärmende Geste! Am Freitag Pasta, gestern Ragout mit Polenta und zum Dessert Tiramisù, heute Abend Risotto mit Luganighe.
  • Sonntag: Die Helis fliegen den ganzen Tag – zwei Super Pumas, lokale Helikopter.
  • Es ist Montag und kein Heligeknatter in der Luft. Seit 8:30 ist es still bis auf das Pfeifen des Nordwinds um die Hausecken. Vermutlich wurde der Flugbetrieb wegen der extremen Böen eingestellt. Zuversicht: Vom Dorf aus ist nirgends am Hang Rauch zu sehen… Hoffen wir!
  • Dienstag, und es ist noch nicht vorbei: Zwei Helikopter sind den ganzen Tag. Bis am frühen Nachmittag zum Hang unterhalb Neggia, dann bis in die Dämmerung zu einem Brandherd am Kamm des Gambarogno. Die Strasse ist weiterhin gesperrt und kein Trinkwasser aus der Leitung. Bewohner müssen über Italien in die Zivilisation fahren.
  • Der Mittwoch bringt nichts Neues: Löscheinsätze den ganzen Tag mit zwei Helikoptern. Der Lärm, Waser aus Petflaschen, die Kantonsstrasse gesperrt – so die Normalität hier bis auf Weiteres… Lichtblick: Seit letzten Freitag fährt das Postauto nach Fahrplan.
  • Donnerstag, 10.2.2022, Tag 12 des Waldbrands: Die Feuer an der Oberfläche sind gelöscht. Die Feuerwehr bekämpft am Boden auf dem ganzen Hang die unterirdischen Glutherde im Wurzelbereich der Bäume. Zwei Helikopter befüllen den ganzen Tag die verschiedenen dafür eingerichteten Löschwasserbecken.
  • Freitag, 11.2.2022
    „WALDBRAND BEKÄMPFT, DOCH RISIKO BLEIBT HOCH“ So titelt die Tessiner Zeitung in der heutigen Ausgabe.
    Die Gemeinde informiert auf ihrer Webseite www.gambarogno.ch:
    – Ab heute 18 Uhr ist ist die Strasse nach Indemini ohne Einschränkungen wieder offen.
    – Ortsansässige, Ferienhausbesitzer, Gäste und Besucher haben wieder Zugang zur ganzen Frazione Indemini.
    – Es werden nur Ortsansässige mit Mineralwasser versorgt.
    – Nächste Woche folgen neue Informationen zum Umgang mit dem Leitungswasser.
    – Der Panoramaweg von Alpe di Neggia bis Bivio Pasturone ist gesperrt. Der Weg nach Sant Anna ist offen.
    Seit Mitte Nachmittag ist das Geknatter der Helikopter verstummt. Was für eine ungewohnte Stille!
  • Samstag. Normalität. Der erste Tag. Allerdings immer noch mit Mineralwasser.
    Die Feuerwehren haben den grössten Teil der Gerätschaften in die lokalen Magazine abtransportiert. Man hat Fahrzeuge und Material verschiedener Herkunft im Einsatz gesehen: Gambarogno, Bellinzona und Biasca. In Quartino vor dem Feuerwehrdepot der Gemdeinde Gambarogno wird das verwendete Material retabliert und für den nächsten Einsatz eingelagert.
  • Es ist Sonntagvormittag, 13. Februar, der Himmel wolkenlos und die Luft rauchfrei. Wir beenden nach zwei Wochen Waldbrand XXL die tägliche Aktualisierung des Tagebuchs.
  • Endlich hat es geschneit! Es ist Dienstag, 15. Februar und es liegen am Morgen etwa 25 cm Neuschnee. Es ist nach 40 Tagen Trockenheit der erste Niederschlag. Ein Glück für das immer noch unter Beobachtung stehende Waldbrandgebiet. Der Schnee wird wahrscheinlich die Überwachungsphase abkürzen.
  • Freitag, 18. Februar 2022: Seit heute ist das Wasser aus der Leitung im Gebiet der Frazione Indemini wieder trinkbar. Einzig im Quartier Pezze ist das Wasser vorläufig noch nicht trinkbar.
  • Dienstag, 15. März 2022: Der Wanderweg von Alpe die Neggia durch das Waldbrandgebiet nach Indemini bleibt bis auf Weiteres gesperrt.
  • Sonntag, 3. April 2022: Die Tafel auf Neggia wurde entfernt. Der Wanderweg nach Indemini ist offenbar wieder offen.
  • 23. Mai 2022: Ab sofort ist das Wasser auch im Quartier Pezze wieder trinkbar. Unter Vorbehalt. Mitteilung der Gemeinde
  • Sonntag, 29. Mai 2022: Die bleibenden Schäden sind jetzt sichtbar: Erfreulich, wie Gräser und Farne spriessen; die Laubhölzer tragen wieder Blätter.  Sichtbare Schäden zeigen sich bei einem beachtlichen Teil der Nadelbäume im Lawinenschutzwald. Der Abtransport der abgestorbenen Bäume per Heli hat letzte Woche begonnen. Das Bild zeigt den ausgebrannten und verkohlten Stamm eines Nadelbaums.

Hintergründiges:

  • Wasserbezugsort für die Helis ist unter anderem ein Wasserbecken auf dem Helikopterlandeplatz oberhalb des Dorfs. Dieses Wasser kommt aus dem grossen Trinkwasserreservoir in Frigesa. Eine leistungstarke Quelle liefert mit aktuell 130 Liter pro Minute zuverlässig Nachschub. Eine Pumpstation befördert das Wasser  vom Postautoplatz über Schläuche in das Becken auf dem Landeplatz.
  • Das Feuer hat sich lokal bis an die Kantonsstrasse und an die Grenze zu Italien ausgedehnt.
  • In den letzten Tagen sah man Helikopter über Bassa di Indemini an die Südflanke des Monte Tamarao fliegen. Dort, zuoberst im Valle Cusella ist ein weiterer Wasserbezugsort.
  • Eine Drohne mit einer Wärmebildkamera fliegt regelmässig das Waldbrandgebiet ab und lokalisiert Glutherde unter der Erdoberfläche.
  • Wer glaubte, ein Waldbrand breite sich am Hang nach oben aus, wurde eines Besseren belehrt. Brennende Stücke lösen sich, rollen hangabwärts und und tragen so das Feuer immer weiter nach unten. Siehe Bild.
  • Es wurden keine Häuser beschädigt! Dank einem Grossaufgebot an Human Power*****, Technik, Material und hunderten von Kubikmetern Wasser konnte der Brand gelöscht werden.
  • Das von  der Gemeinde gelieferte Mineralwasser der Marke SAN CLEMENTE wird von der Firma Tamaro Drinks SA in Sigirino vertrieben. Die Quelle befindet sich im Val Caslascio, einem kleinen Seitental des Val Capriasca nördlich von Tesserete. Pro Person werden 9 Liter pro Tag abgegeben. Auslieferung Mo, Mi, Fr von 9 bis 10 Uhr.
  • Was bleiben für Schäden am betroffenen Wald? Gesamtfläche 199 Hektaren. Diese Frage lässt sich erst beantworten, wenn mit der warmen Jahreszeit sichtbar wird, wie viele Bäume nicht mehr austreiben. Dementsprechend werden Massnahmen zur Sanierung des Lawinenschutzwalds in die Wege geleitet.
  • Mai 2023: Im Vergleich zum Mai 2022 sieht man deutlich mehr tote Bäume. Am besten sichtbar von Monti Idacca.

pics by Kurt Gafner & bewe

 

2 Responses to Waldbrand XXL am Südhang des Monte Gambarogno

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