Sonnino geht auf Reisen…
Die Reiselust des Sonnino – eine wahre Geschichte, niedergeschrieben von Yvonne Simovic aus Winterthur.
Sonnino, das ist der Schlüssel zum gleichnamigen Rustico der Familie Schläfli.
Die Geschichte von Sonnino aus Indemini, dem Anfang der Welt
Teil 1
Es war einmal ein kleiner Schlüssel namens Sonnino. Er wohnte im berühmten Dorf Indemini am Anfang der Welt.
Sein Heim lag an der Grenze seines Hauses, zentral und in der Mitte seiner alten Türe im Schlüsselloch. Jeden Tag konnte er Aussicht und Ruhe, aber auch spannende, erlebnisreiche Zeiten mit verschiedenen Menschen erleben. Eigentlich ein beschauliches, schönes Schlüsselleben könnte man meinen. Sonnino aber war ein neugieriger Kerl voller Tatendrang. Am liebsten hörte er den Menschen zu, wenn sie von der weiten Welt sprachen. Diese Geschichten waren es, die in Sonnino ein wahres Schlüsselerlebnis auslösten. In Sonninos Schlüsselköpfchen erwachte eine grosse Sehnsucht. Es entstand eine Faszination, die dem neugierigen Sonnino nicht mehr aus dem Sinn wollte.
Er, der kleine Sonnino, wollte raus in die weite Welt, kannte er doch „nur“ den Anfang der Welt.
Doch wie sollte er das bewerkstelligen? Sonnino wurde klar, dass er einen Weg aus dem Schlüsselloch finden musste. Er nahm Kontakt zu seiner Türe auf. Doch die wollte gar nichts von solch seltsamen Geschichten hören. Sonnino aber heizte der alten Türe kräftig ein. Er machte sich immer schwerer und schwerer im Schloss, bis die alte Türe nur noch ächzte beim Auf- und Zugehen. So liess dann irgendwann die alte Tür nach und entschied, der „Zwängerei“ von Sonnino nachzugeben und ihm zu helfen. Gemeinsam entwickelten die beiden einen Plan. Die Türe versuchte immer schneller ins Schloss zu fallen, so dass Sonnino mit dem Ruck dynamisch aus dem Schloss springen konnte. Seine Sprünge wurden immer eleganter und er entwickelte eine Sicherheit, die bis ins kleinste Detail stimmte. Beide hatten bei diesen Höhenflügen grossen Spass und es wurde der Beginn einer wunderschönen symbiotischen Beziehung.
Eines Tages war es dann soweit. Es kamen zwei Individuen aus Winterthur, wie Sonnino aus ihrem Geplapper entnehmen konnte.
Nach einigen Tagen wurde von den Zweien der letzte Abend angekündigt und Sonnino dachte sich: „ jetzt oder nie“.
Noch einmal genoss er es, sanft geschaukelt durch Indemini getragen zu werden. Ein letztes Mal das knorrige Abschliessen seines lieben Heimes, seiner lieben Türe zu erleben.
Dann endlich es war soweit! Spannung und Abenteuer lagen in der Morgenluft. Er konnte es kaum noch erwarten und fieberte seinem Absprung entgegen. Doch eine plötzliche Unruhe, ja Angst machten Sonnino zu schaffen. „Was“, dachte er, „soll ich machen, falls diese Zwei den Sack mit den Wanderschuhen plötzlich von der Türe wegnehmen? Wo soll ich dann hinspringen“? Doch Sonninos Sorgen und Ängste waren unbegründet. Schon der erste Türschlag am Morgen war erfolgreich. Sonninos Sprung brachte ihn gleich unter die Sohle des Wanderschuhs, bei dem er sich rasch fest klammerte. Benommen vor Glück hätte er am liebsten laut um sich geklirrt. Doch er wusste, wie ernst seine Situation war, es galt sich absolut ruhig zu verhalten. Nicht lange, da hörte Sonnino, dass sein Verschwinden bemerkt wurde. Grinsend hörte er den zwei Individuen zu.
Er hörte, wie er von den beiden sooo gebraucht wurde, aber niemand hatte ihn zuletzt in den Händen. Das Übliche, wenn Menschen von ihm sprachen. Doch dieses Mal stimmte es sogar…..;-).
Voller Stolz auf seinen geglückten Sprung klopfte er sich leise mit dem Täfelchen auf seinen Bart.
Sonnino hätte den beiden noch liebend gerne weiter zugehört. Es waren die Gespräche, welche er am liebsten über sich hörte. Gaben sie ihm doch das Gefühl, auch so gross und wichtig wie die Menschen zu sein.
Die beiden fingen bald an, das ganze Haus zu durchsuchen. Entleerten alle Taschen komplett, nur an den Sack mit den Wanderschuhen dachten die Dösel nicht.
Mein Schmuggelplan ging auf: „Einmal ein Indeminesi, immer ein Indeminesi!“ Dachte er sich und musste bei diesem Gedanken fast laut rausklirren.
Teil 2
Beim Abschied von Rosemarie und Beat vernahm ich in meinem Versteck, wie Beat meinte: „ihr werdet ihn bestimmt beim Auspacken finden werden.“ Wieder ein so blödes Geschwätz von Menschen“, dachte ich. Doch diese Individuen konnten ja nicht wissen, wie genial ich, Sonnino war. Auch seine Bemerkung, dass ich in der Waschmaschine landen könnte, war schlichtweg absurd.
Erschöpft, aber glücklich fiel ich – umnebelt von entspannenden Gerüchen – angelehnt an die Wanderschuhe in einen tiefen, festen Schlaf.
Ein Schrei, der mir durch Eisen und Bart ging, weckte mich auf. Ich kannte diese schrille Art von Schrei bei den Menschen; dies war meine Schlüsselerfahrung.
„Nebi“ tönte es klirrend,“ ich han dä Schlüssel gfundä !“
Die Frau aus dem fernen Winterthur trug mich eine Treppe hinauf. Kurz, ganz kurz, konnte ich durch ihre Hände etwas wie eine Stube entdecken, bevor es dunkel wurde. Wo war ich hier? War das nun die weite Welt?
Nach einer Ewigkeit erhellte ein kleiner Lichtstrahl mein Irgendetwas um mich herum. Ich konnte kleinere Dinger sehen, die neben mir hingen. Irgendwie sahen sie mir ähnlich. Doch diesen armen Kreaturen fehlte der Kopf und, was noch schlimmer war, der Schlüsselbart. In einem kurzen Lichtblick konnte ich jedoch erkennen, dass sie tatsächlich in die Türen gesteckt wurden. Nun konnte mich nichts mehr halten. Ich klirrte vor Freude laut los. War ich doch in der fernen Welt angekommen. Aber rund um mich blieb es still. Verstanden sie mich nicht? Wollten sie nicht mit mir Klirren? In dieser Stille und diesem kleinen Lichtstahl wurde es mir langweilig. Mit der Zeit fühlte ich mich ganz schwer an. Was passierte mit mir? War ich traurig? Gehört und gesehen hatte ich das schon bei den Menschen. Doch so schwer zu sein, schmerzte. Mein Kopf fühlte sich an, als ob er in die Länge gezogen würde.
Dann ging die Türe auf. Helligkeit erfasst mich. Diese Winterthurer, sie nahmen mich aus diesem Irgendwas heraus. Wie froh und leicht ich mich plötzlich fühlte.
Nach Indemini könne ich zurück, entnahm ich diesem Gerede. Wie glücklich ich war. Schlüsseldank, hatte Beat Recht behalten. Nun fand ich ihn gar nicht mehr so blöd. Ich fühlte mich so leicht, als würde ich direkt aus dem Schlüsselloch springen.
Schon bald, wusste ich, werde ich wieder bei euch sein.
Eines wurde mir nun klar: Mein Häuschen, meine liebe alte Türe mit dem Schlüsseloch, da möchte ich hin und für immer bleiben – am Anfang der Welt.