Nur ein toter Hirsch ist ein guter Hirsch!? 

Diese etwas spitze Aussage würden schon heute einige Tessiner Winzer und Bauern vorbehaltlos unterschreiben, denn die Entwicklung der Hirschpopulation im Kanton Tessin droht aus dem Ruder zu laufen.

  • Bereits im 16. Jh. galt der Hirsch und das Reh im Kanton Tessin als praktisch ausgestorben. Das hat verschiedene Gründe: Wölfe und Bären, die hungernde Bevölkerung machten Jagd auf die Wildtiere. Dazu kam die Konkurrenz von rund 75’000 Ziegen und Schafen auf dem gleichen Territorium. Der Lebensraum Wald wurde für die Nutzung als Weideland zurückgedrängt.
  • Die ersten Hirsche wanderten erst wieder in den 1920er Jahren vor allem aus Graubünden in den Kanton Tessin ein.
  • Vor rund 60 Jahren, mit der zunehmenden Verwaldung, begannen Hirsche und Rehe ihr Territorium zurück zu erobern. Die Konkurrenz durch Schafe und Ziegen nahm laufend ab. 2005 waren auf dem gleichen Territorium nur noch 23’000 Ziegen und Schafe.
  • Seit 1990 vermehren sich vor allem die Hirsche praktisch ungehindert und rapide. 1990 zählte man im Tessin 2000 Hirsche, im Jahr 2000 waren es bereits 3800 und 2013 ist der Bestand auf 5500 angestiegen. Mit dem zunehmenden Revierdruck ändern die Wildtiere ihr Verhalten und breiten sich aus bis in die menschlichen Siedlungen hinein, wo sie dann unter anderem Schäden in Gärten anrichten. So auch in Indemini. Wir schätzen, dass sich im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Indemini auf einer Fläche von 11 km2 gegen 100 Hirsche aufhalten. Die Tessiner Zeitung hat kürzlich berichtet: Rosen und Stangenbohnen müssen hinter Gitter
  • Mit den Hirschen kamen die Zecken. Indemini war bis vor etwa 15 Jahren frei von Zecken.
  • Mit dem wachsenden Bestand nahmen im gleichen Mass die Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen wie Rebbergen, Gemüsekulturen, Gärten, usw. zu. Betroffen sind auch zunehmend die Lawinenschutzwälder. Immerhin hat ein erwachsener Hirsch einen täglichen Bedarf von ca. 30 kg Grünfutter.
  • Im Jahr 2013 wurden auf der ordentlichen Jagd 1800 Hirsche erlegt. Zu wenig, um den Bestand auf einem konstanten Niveau zu stabilisieren.
  • Der Hirschbestand entwickelt sich exponentiell. Dem gegenüber ist der Bestand an Jägern konstant, bzw. eher rückläufig. Das Problem lässt sich allein schon aus diesem Missverhältnis ableiten: Die Jagd kann den Hirschbestand künftig nicht regulieren; eine weitere Zunahme der Populationen ist programmiert.
  • Wenn bald einmal 8000 Hirsche auf dem Territorium des Kantons Tessin unterwegs nach Futter sein werden, wird das Winzer, Gemüsebauern und Landwirte noch mehr in ihrer Existenz bedrohen. Viele Natur- und Tierfreunde werden sich freuen; der Natur selbst ist das völlig egal.
  • Projekt TIGRA (TI cino GRA aubünden): Dieses interkantonale Projekt hat zum Ziel, mehr über die Migration der Hirsche zu erfahren. Aktuell sind 18 Hirsche mit Halsband und GPS versehen, nach zwei Jahren werden diese durch weitere 18 Beobachtungstiere ersetzt und nach Abschluss des Projekts TIGRA im Jahr 2019 hofft man, mehr über das Wanderverhalten der Hirsche zu wissen.
  • Quelle u.a. MIGROS Magazin „Azione 43“ vom 20. Oktober 2014 mit zwei Artikeln zum Hirsch 

 

 

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